Mittwoch, 17. Juni 2009

sind wir nicht alle teheran?

ich finde es "spannend", wie im iran, bzw. in teheran derzeit die controlfreaks in den machtzentren an der informationsglobalisierung scheitern.

früher hätten die derzeitigen machthaber einfach den stecker zur aussenwelt gezogen und ein paar hundert demonstranten erschossen und tausende in umerziehungslager konzentriert. das geht aber nur, wenn man wirksam zensieren kann. und genau daran scheitern die machthaber.

sie können den journalisten verbieten, zu berichten, sie können zeitungen schliessen, sms dienste stören, aber den stecker zum internet ziehen? und was ist mit dem mobilfunknetz? sowas können selbst die machthaber nicht dauerhaft "abschalten". und selbst wenn - man könnte per satellit das internet in den iran bringen.

den aussichtslosen kampf gegen die virtuellen windmühlen beschreibt die FR:

Mit den staatlichen Fernsehprogrammen konkurrieren, allerdings mit geringem Erfolg, die persischsprachigen Satellitensendungen der Londoner BBC, der Stimme Amerikas und in den südwestlichen Regionen, in denen auch Arabisch gesprochen wird, von Al Dschasira, Al Arabija und anderen. Das soll und darf nicht sein; Satellitenschüsseln sind seit 1995 illegal. Aber es gibt sie doch.

Auch das gesprochene offene Wort erreicht Iran. Rundfunk aus den Nachbarstaaten und über Kurzwelle ist mit geringem Aufwand zu hören. Deutsche Welle, BBC, das 2003 von der Stimme Amerikas und dem Sender Freies Europa gegründete Radio Farda, ein rundes Dutzend klandestiner Sender mit den Ideen verbotener Exilorganisationen - welches Publikum sie erreichen, ist ungewiss. Sie werden auch durch Störsender überlagert.

Die Korrespondenten ausländischer Sender dürfen seit Montag nicht mehr auf der Straße arbeiten. Diese Art der Zensur ist selbst für Iran ungewöhnlich. Doch die britische BBC bekommt nach eigenen Angaben jede Minute fünf unzensierte Videos von Amateuren. Das Internet -23 Millionen der 67 Millionen Iraner haben Zugang - bietet trotz allen Zensur- und Blockierungsversuchen immer neue Um- und Auswege.

Über die Auslandssender kommen die Bilder und Berichte ins Inland zurück. Die vielfache Informationsmenge verbreitet sich über YouTube, Facebook und ähnliche Netze.


und die faz zeigt das innere ränkespiel an den iranischen machthebeln:

Während des Wahlkampfs hatte Ahmadineschad seinen Widersacher, den Milliardär Rafsandschani in einer Schärfe angegriffen, die in der Islamischen Republik unter Trägern des Regimes beispiellos ist. Rafsandschani drohte darauf Ahmadineschad, er werde dafür sorgen, ihn kaltzustellen wie es dem ersten Ministerpräsidenten nach der Revolution, Bandi Sadr, ergangen war. Ahmadineschad erwiderte die Drohung mit einer Drohung: Rafsandschani werde dann wie Ajatollah Montazeri, der abgesetzte Kronprinzen von Chomeini, kaltgestellt, der unter Hausarrest gestellt wurde. Rafsandschani verfügt über viel Geld und über funktionierende Netzwerke.

Immer stärker verdichten sich daher die Anzeichen, dass er sein Gewicht hinter die Kundgebungen wirft - nicht, weil sie Mussawi dienen, sondern weil sie Ahmadineschad in Bedrängnis bringen. Dabei kann er auf die Sympathie des hohen Klerus von Qom, dem religiösen Zentrum Irans, zählen und auf die Unterstützung der niederen Geistlichkeit. Denn nach Ahmadineschads Angriffen war Rafsandschani nach Qom gereist und hatte sich dort wenige Tage vor der Wahl die Unterstützung der Ajatollahs versichert. Ahmadineschad nutzt nun die Spannungen - wie er es schon bei anderen, zum Teil selbst geschaffenen Krisen getan hatte - zu seinem Vorteil. Er setzt zur Ausschaltung der Reformer und auch Anhänger Rafsandschanis an.

Es überrascht daher nicht, dass beide Lager unterschiedliche Begründungen für die Ausschreitungen vorschieben. Die Opposition macht für die Gewalt Mitglieder der Freiwilligenmiliz der Basidsch verantwortlich, die sich angeblich und deutlich sichtbar den Bart abrasiert hätten. Sie steckten Autos und Bushaltestellen in Brand, um die Proteste zu diskreditieren, behaupten Mussawis Anhänger. Dem halten die Anhänger Ahmadineschads entgegen, Mussawi bediene sich krimineller Elemente wie der in Iran verbotenen Terror- und Untergrundorganisation Mudschahedin-e Chalk.

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